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Die Allianz zwischen Thron und Altar –, zwischen dem Apostolischen Monarchen und dem Papst, zwischen Katholizismus und Gottesgnadentum – war eine der Säulen, auf denen die Habsburgermonarchie seit der Gegenreformation aufbaute. Doch die Beziehungen waren nicht ungetrübt. Die politischen Veränderungen durch die Gründung des Königreichs Italien und das Ende des Kirchenstaates wurden zu einer schweren Belastung, denn die römische Frage hatte kaum mehr als eine rhetorische Bedeutung und wurde zu einem lästigen Hindernis für die diplomatischen Beziehungen mit Italien. Gravierender waren innenpolitische Dissonanzen. Das Konkordat von 1855 stellte den qualitativen Höhepunkt in den Beziehungen zwischen dem Hl. Stuhl und der Habsburgermonarchie dar, konnte aber aufgrund innenpolitischer Widerstände nie verwirklicht werden. Schon Anfang der 1860er Jahre begann der Kampf der Liberalen gegen das Konkordat. Die konfessionellen Gesetze 1868 und die Aufkündigung des Konkordats infolge des Ersten Vatikanischen Konzils wurden zu Tiefunkten des bilateralen Verhältnisses. Zumindest formal beendete der Liberalismus die Sonderstellung der Katholischen Kirche in der Habsburgermonarchie, tatsächlich konnte sie aber zahlreiche Privilegien in die neue Zeit retten. Dazu im Widerstreit steht die Tatsache, dass nach 1848 diese verschlechterte Position des Hl. Stuhls in den Beziehungen zu den Staaten durch eine Stärkung der innerkirchlichen Machtstellung des Papsttums kompensiert wurde, wobei man sich der in den katholischen Ländern – und somit auch in der Habsburgermonarchie – nach wie vor bestehenden Volksfrömmigkeit und Autorität der katholischen Hierarchie bediente.

Unter Leo XIII. und seinem Staatssekretär Mariano Rampolla wurden aber auch neue politische Wege bestritten. Es war dies die politische Allianz mit den Christlichsozialen um Karl Lueger. Die katholische Kirche deklarierte sich dadurch parteipolitisch, was innerkirchlich äußerst umstritten war und auch von Kaiser Franz Joseph abgelehnt wurde. Unter seinem Nachfolger Pius X. kam es zu einem diesbezüglichen Paradigmenwechsel, auf den „politischen“ Papst Leo XIII. folgte ein stärker um die Seelsorge bemühter Oberhirte. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt die katholische Kirche in der Habsburgermonarchie bereits stark politisiert, viele Priester waren in führenden parteipolitischen Positionen tätig, viele Priester und Bischöfe waren auch nationalpolitisch aktiv.

Im Ersten Weltkrieg wurde das Bündnis zwischen Thron und Altar noch einmal gestärkt. Die katholische Kirche engagierte sich im patriotischen Sinn und unterstützte die martialische Rhetorik der Regierung. Gleichzeitig engagierten sich aber viele Priester während des Krieges im Sinne der späteren Nachfolgestaaten. Die Friedensinitiativen Benedikt XV. und die Aufrufe zur Mäßigung verhallten in der Habsburgermonarchie weitgehend ungehört. Gleichzeitig zögerte der Heilige Stuhl nicht, seine Interessen zu wahren und die neuen Staaten anzuerkennen und mit ihnen diplomatische Beziehungen aufzunehmen. Der Hl. Stuhl machte sich während des Krieges vor allem um die Versorgung der Kriegsgefangenen verdient. Eine Beteiligung an der Versailler Friedenskonferenz gelang aber nicht, der Hl. Stuhl wurde auch nicht Mitglied des Völkerbundes. Die vatikanische Diplomatie stand den Friedensverträgen und der Nachkriegsordnung  daher kritisch gegenüber, musste die neue Ordnung aber kirchenpolitisch, etwa hinsichtlich der Reorganisation der Diözesen, übernehmen.

Forschungsergebnisse (Andreas Gottsmann):

“si rivela chiaramente il piano di rovesciare il concordato”. Pius IX. und die Anfänge des konstituionellen Österreich, in: Andreas Gottsmann, Pieantonio Piatti, Andreas Rehberg (Hgg.), Incorrupta Munumenta Ecclesiam Defendunt. Studi offerti a mons. Sergio Pagano, prefetto dell’Archivio  Segreto Vaticano (=Collectanea Archivi Vaticani 108, Città del Vaticano 2018), Bd. 3 151–266.

Conservatorismo cattolico versus modernizzazione liberale nella Monarchia danubiana, in: Martin Baumeister, Andrea Ciampani, Francois Jankowiak, Roberto Regoli (Hgg.), Il Concilio vaticano I e la modernità (=Miscellanea Historai Pontificiae 72, Roma 2020), 99-116.

Rom und der Bruderstreit in Tirol. Die Rolle der Kirchenführung im Streit zwischen Christlichsozialen und Konservativen; in: Anzeiger der philosophisch-historischen Klasse 147(2012)1, 87-102.

Le nomine vescovili nella monarchia danubiana nel lungo ottocento; in: Péter Tusor, Matteo Sanfilippo (eds.), Il papato e le chiese locali – studi / The papacy and the local churches – studies (=Studi di storia delle istituzioni ecclesiastiche 4, Viterbo 2014), 407–419.

“Sono tutti quanti barbari.” Pio X e i popoli della monarchia danubiana; in: Giuliano Brugnotto, Gianpaolo Romanato (Hgg.): Riforma del cattolicesimo? Le attività e le scelte di Pio X. (=Atti e documenti 43, Città del Vaticano 2016), 419–428.

Josip Juraj Strossmayer und die “slawische Adria”: Politische Dimensionen einer kirchlichen Problematik, in: Josip Juraj Strossmayer 1815–2015 (Djakovo 2017), 123-139.

La chiesa cattolica e la Grande Guerra in Austria; in: “Inutile strage”. I cattolici e la Santa Sede nella Prima guerra mondiale. Raccolta di Studi in occasione del Centenario dello scoppio dell Prima guerra mondiale (1914-2014), a cura di Lorenzo Botrugno (Città del Vaticano 2016), 49-90.

Die katholische Kirche und der Große Krieg im Spiegel der Protokolle der österreichischen Bischofskonferenz und des “Wiener Diözesanblatts” - La chiesa cattolica e la Grande Guerra in Austria nei protocolli della conferenza Episcopale austriaca e nel “Wiener Diözesanblatt”, in: Andreas Gottsmann, Romano Ugolini, Stefan Wedrac( Hgg.), Österreich-Ungarn und Italien im Ersten Weltkrieg. Austria-Ungheria e Italia nella Grande Guerra (=Publikationen des Historischen Institutes beim Österreichischen Kulturforum in Rom, I. Abteilung: Abhandlungen, 18. Band, Wien 2019), 247–269.

Der Heilige Stuhl und die Pariser Friedensordnung von 1919/20, in: Beiträge zur Rechtsgeschichte Österreichs 9(2019)2  (=Michael Gehler, Thomas Olechowski, Stefan Wedrac, Anita Ziegerhofer (Hgg.), Der Vertrag von Saint Germain im Konrtext der europäischen Nachkriegsordnung), 517–535.